Darco,

mein neuer Mitarbeiter stellt sich vor:

Ich bin Darco, wobei das mit dem Name ist so eine Sache… Ursprünglich wurde ich „Athos von Puschkin“ genannt, doch nur ganz kurz. In meiner auserwählten Familie mit meiner allerliebsten Alex wurde ich Arco genannt. Leider durfte ich Alex nicht bis zu ihrem sehr frühen Lebensende begleiten, das brach mir und ihr das Herz.

Ich verstand die Welt nicht mehr, als ich im Mai 2020 mit der – grundsätzlich ja ganz sympatischen – Psychotante Katrin kurz spazieren gegangen war und anschliessend meine Alex nicht mehr wieder sehen sollte. Es war schrecklich, ich war völlig verwirrt und auch richtig sauer auf Katrin, die mir meine Alex weggenommen hatte. Eigentlich war ich auf jeden Menschen sauer und gleichzeitig sehnte ich mich so sehr nach Kontakt, ich war hin und hergerissen.

Obwohl Katrin für meinen Verlust verantwortlich war und ich sie anfangs recht angiftete, hielt sie zu mir und so wurde sie zu meiner neuen Vertrauten. Andere Menschen lasse ich aber nicht an mich heran, oder nur ganz kurz, nicht dass die mir erneut meine wichtigste Bezugsperson wegnehmen!

Männer sind ganz besonders gruselig, denen kann man nicht über den Weg trauen. Nur wenn sie irgendwo sitzen und sich nicht bewegen können kann ich denen gegenüber entspannt bleiben, beispielsweise auf dem Klo. Ok, ich musste  erkennen, dass es da auch Ausnahmen gibt. Alex Mann war auch ein ganz netter, meistens jedenfalls. Und Katrins Freund, dem ich anfangs zutiefst misstraute und auch verletzte, hielt ebenfalls zu mir.

Mirko war sogar dafür verantwortlich, dass ich nicht wieder von vorne beginnen muss, denn in den ersten Monaten war immer wieder die Rede davon, dass ich weiterplatziert werden sollte, wenn ich „stabil“ genug wäre. Was auch immer das heissen sollte. Ich wollte nicht mehr weg. Obwohl ich auf die zwei Büsi in dem Haushalt gut verzichten könnte, die sind nämlich auch ganz schön gruselig. Ich brauchte einige Zeit um mich mit den zweien und diesem gruseligen Mann zu arrangieren. Den bärtigen Menschen habe ich nun auch ins Herz geschlossen, auch wenn mein Misstrauen in speziellen Situationen noch überwiegt. Bis ich den Büsi vollständig vertraue, wird wohl noch etwas Wasser den Bach hinunterfliesen, aber die scheinen mich schon von Beginn an ins Herz geschlossen zu haben, das sagt zumindest Katrin. Na, wenn sie meint…

Am 20.10.2020 liess ich mir sagen, fiel dann die Entscheidung, nachdem ich meine neue Vertraute auf dem Sofa vor Liebe fast auffrass, während die Büsi gelassen zuschauten. Ihr Freund hatte sich inzwischen auch in mich verliebt und stimmte zu, dass ich bleiben dürfte. Was für eine Erleichterung!

Kurz darauf, erhielt ich meinen neuen Namen: Darco, ganeuer „Don Darco Dunkelschlumpf“

Katrin wollte sich mit dem D wie Dunkel oder dangerous in Erinnerung halten, dass ich mit Vorsicht zu geniessen bin. Damit hat sie wohl recht, ich kann blitzschnell Entscheidungen treffen und lasse dann plötzlich den Piranha raushängen. Wenn ich mich geborgen und sicher fühle, bin ich aber ganz pflegeleicht, so dass das schnell in Vergessenheit geraten könnte. Die Beinamen entstammten Mirkos Kreation und wurden als passend empfunden.

Das Erbe von Ragnarson anzutreten ist eine „Mammutaufgabe“.

Doch Katrin versichterte mir, dass ich nicht – wie er – die Weltherrschaft übernehmen müsse, es reicht ihr, wenn ich Ihr dabei assistiere, sein Erbe zu verwalten. Das mache ich wirklich gerne und bemühe mich nach Kräften, den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

 

 

Einige Eindrücke aus Darcos neuem Leben.

In den Videos zeige ich aktuelle Ausbildungsschritte.

Darcos Vorgeschichte

Im November 2019 wurde ich in den Haushalt gerufen, in dem Arco seit einem halben Jahr lebte. Er war schon relativ früh durch Aggressionsverhalten gegenüber Besuchern und Personen im Haushalt aufgefallen und hatte nun erstmals bei einer Besucherin richtig zugeschnappt.

Mein erster Gedanke war „na klar, ist ein Pinscher, der hat Tendenzen zu Territorialverhalten und Ressourcenverteidigung“. War aus meiner Sicht keine grosse Sache, bräuchte etwas Aufklärung und dann kommt das schon.

Als ich den kleinen Buben kennenlernte und in der Anamnese den Werdegang des jungen Hundes erfuhr, tat sich dann jedoch ein ganz anderes Bild auf. Mich begrüsste ein völlig verunsicherter, sehr angespannter 10 Monate junger Hund, der sichtlich froh zu sein schien, dass ich nichts weiter von ihm will, mich nur an einem definierten Ort aufhalte und er sich auf seinen Platz zurückziehen kann.

Mein „Frustrations-Versuch“ deckte weitere Themen auf, bei denen es mir schwer ums Herz wurde.

Ich nahm etwas Futter, zeigte dies dem jungen Rüden und erhielt wie erwartet einen fröhlichen entspannten vor Erwartung hüpfenden Vierbeiner, der mir unbesonnen in die Mitte des Wohnzimmers folgte, wo ich mich auf den Boden setzte. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich ihm ein Leckerchen zeigte, es aber nicht freigab.

Ganz ruhig hielt ich ihn ab, es reichte schon ein sanfter Blick, ganz ohne Körperkontakt. Arco war sofort zutiefst verunsichert. Als ich im Gegenzug versuchte, ihn mit sanftem Spieleangebot weg vom Futter etwas aufzulockern, schoss er schreiend und geduckt vor, schnappte gegen meine Hand und war anschliessend extrem angespannt und ängstlich. Nur mit Mühe gelang es mir, ihn wieder aus dieser Starre zu holen.

Der kleine Arco hatte sich mir gegenüber gerade einigermassen entspannt, als die Tochter nach Hause kam und erneut Aufregung in die Situation brachte. Während Arco zur Begrüssung lief, sammelte ich die Futterbrösel mit der Hand zusammen. Arco kam rasch wieder hinzu, sah meine Handbewegung und preschte erneut vor. Anschliessend flüchtete er auf seinen Ruheplatz und fiel dort fast in Ohnmacht. Er blinzelte hektisch und viel fast um, während er krampfhaft versuchte sitzen zu bleiben. Diese Reaktion beeindruckte mich zutiefst und zeigte mir, wie gross die Not dieses jungen Rüden wirklich war.

 

 

Traumatisiert in der ersten sensiblen Phase.

Es stellte sich heraus, dass Arco mit 8 Wochen von einer engagierten Züchterin zu allererst in einen grossen, reichen Haushalt verkauft wurde. Von dort kam er zwei Monate später zurück, mit der Erklärung, er wäre dort wegen dem anderen Hund nicht zur Ruhe gekommen und hätte diesen am Ende aggressiv angegangen. Er hätte sich auch selbst gebissen und war abgemagert. Es scheint, als hatten weitere Personen die „Ausbildung“ des jungen Hundes übernommen, insgesamt ist die Geschichte allerdings leider etwas undurchsichtig. Die Züchterin nahm Arco zurück. Ursprünglich wollte sie ihn zwei Monate behalten um den kleinen Mann wieder zur Ruhe kommen zu lassen. Ihr fielen keine besonderen Veränderungen auf, ausser dass er gegenüber den anderen Hunden zurückhaltend war und sich nicht am Spiel beteiligte. Als Alex mit ihrer Familie auf der Suche nach einem Hund den 4monatigen Arco kennenlernte, war es Liebe auf den ersten Blick. So durfte er schon früher als gedacht bei der neuen Familie einziehen.

Erste Auffälligkeiten stellten sich erst nach 3 Wochen ein, Arco begann nach den Kindern zu schnappen, wenn diese an ihm vorbeigingen. Meist hing das zusammen mit fehlenden Rückzugsorten, teils ging er aber auch schon mal proaktiv nach vorne. Das Vertrauen zum Vater der Familie konnte Arco zudem nur mit Mühe aufbauen, er misstraute ihm lange. Fremde Personen liess Arco von Beginn an kaum an sich ran, schnappte wenn er angefasst wurde und schoss in statischen Situationen vor, wenn Fremde an ihm vorbeigingen.

Der Umgang mit Arco in der Familie war zwar nicht von Beginn an optimal, doch nichts davon erklärt diese heftige Reaktion auf meinen Verhaltenstest und das schon so früh ausgeprägte Misstrauen gegenüber fremden Personen. Im Verlauf der Anamnese sah ich sehr vertraute Kontakte zwischen Arco und allen Familienmitgliedern, die darauf schliessen liessen, dass nicht Grundlegendes in der Beziehung falsch gelaufen sein kann. Draussen fiel auf, dass Arco kaum Erkundungsverhalten zeigte, er permanent sicherte (angespannt umherschauen) und sich nur selten entspannt bewegte. Laut der Familie hatte sich dies bereits gebessert im Vergleich zu Anfang, so dass auch die zweite sensible Phase als Ursache für diese Verhaltensauffälligkeiten ausgeschlossen werden konnte.

Alles deutete darauf hin, dass mit Arco im ersten Haushalt sehr hart umgegangen wurde, möglicherweise wurde Fehlverhalten gezielt provoziert um dies dann abzustrafen. Ich war mir sicher, dass Arco noch nicht alle Facetten dieser traumatischen Erfahrungen gezeigt hatte und bereitete die Familie darauf vor, dass sie in den kommenden zwei Jahren besonders achtsam sein müssen.

Eigentlich war klar, dass dieser Hund in einer Familie mit Kindern nicht gut aufgehoben ist. Aus diesem Grund zeigte ich sehr deutlich auf, wo Gefahrenpotential liegen kann und legte Maulkorbtraining nahe. Dies rief erst einmal Besorgnis hervor, was auch gut war. Lieber zu viel Respekt und Vorsicht, als zu riskieren, dass doch etwas passiert. Aufgrund der sehr strukturierten und verständigen Mutter, sah ich jedoch Chancen, dass diese Herausforderung gefahrlos gemeistert werden könnte.

Ohne es auszusprechen, war ich dennoch alarmiert.

Die Chance, dass es nicht klappt und Arco nochmal umplatziert werden müsste war durchaus gegeben. Dabei wäre es enorm wichtig, dass er zu den richtigen Menschen kommt, die seine Unsicherheiten auffangen könnten, um es nicht vollständig kippen zu lassen. Gleichzeitig hatte mich dieser kleine Mann im Herzen sehr berührt, so dass ich ihm die beste Unterstützung sichern wollte, wenn es nötig wäre. Vorrausschauend klärte ich mit meinem Freund, ob er bereit wäre solch einem Hund einen Pflegeplatz zu bieten, mit der Option, dass er möglicherweise schwer oder nicht vermittelbar ist. Er stimmte zu, doch glücklicherweise Arco durfte bei seiner Familie bleiben.

 

Familienrat – alle ziehen an einem Strang

Nachdem die ersten Massnahmen übernommen wurden, Arco mehr Raum zum Rückzug bekam und in kritischen Situationen Management im Vordergrund stand, besserte das Verhalten sehr schnell. Wie es so ist, wurden die beteiligten Personen schon bald leichtsinnig und schenkten dem jungen Rüden mehr Vertrauen. Es kam zu einem ungünstigen Vorfall, der zwar glücklicherweise keine Bissverletzung mit sich brachte, aber doch das neu aufgebaute Vertrauen bis ins Mark erschütterte. Arcos Zähne entblössten sich lautstark direkt vor dem Gesicht eines der Kinder.

In einem emotionalen Telefonat holte ich die entsetzte Mutter ab und klärte mit ihr das weitere Vorgehen. Zudem forderte ich auf, einen Familienrat zu halten um zu prüfen ob sich alle gleichermassen für den jungen Hund einsetzen wollen und zu besprechen ob die damit verbundenen Einschränkungen für alle akzeptabel sind.

Das Ergebnis des Familienrates war positiv, alle wollten Arco helfen und waren bereit ihm hierzu die nötige Ruhe, Zeit und Geduld zu schenken.

In zwei physiotherapeutischen Sitzungen klärte ich ab, ob möglicherweise noch weitere Themen sein Verhalten mitbeeinflussen. Vorsichtig führte ich ihn an die Berührungen heran und hatte bald einen überraschend entspannten und lustigen jungen Hund vor mir, wie es in dem Alter üblicherweise zu erwarten wäre. Doch als er gerade Vertrauen gefasst zu haben schien, schoss er auch mir einmal plötzlich ins Gesicht. Dank meiner Erfahrung und schnellen Deeskalation konnte ich sein Verhalten rasch auffangen, die geschockte Halterin aufklären und die Situation entspannen. Doch dies zeigte erneut, wie sehr im Umgang mit Arco Vorsicht angeraten ist.

Mit diesem Wissen kümmerte sich die Familie engangiert um den jungen Rüden. Mit Erfolg! Arco entwickelte sich in den nächsten Monaten vorbildlich, alles sah gut aus und alle waren glücklich.

 

Das Leben ist selten fair. – Notfell Arco kommt zu mir

Alex, die Hauptbezugsperson von Arco war schwer krank, obwohl man es ihr lange Zeit nicht ansah. Ihre Zuversicht, diese Erkrankung überwinden zu können, half leider nicht. Im Mai 2020 erreichte mich daher der Notruf. Arco, inzwischen 1 1/2jährig wurde wieder auffällig, seit Alex schwächer war. Sein Verhalten in der Familie war nicht mehr tragbar, die Situation belastete auf allen Ebenen. Arco musste schweren Herzens möglichst schnell umplatziert werden. Die Züchterin hatte derzeit keine Möglichkeit einen intakten Rüden mit aufzunehmen und suchte ihrerseits nach einem passenden Platz. Was sich da anbot klang allerdings ganz und gar nicht nach dem, was Arco bräuchte, die Verzweiflung war gross.

Mein Plan, den ich schon einige Monate zuvor im Kopf hatte wurde reaktiviert. Ich sprach erneut mit meinem Freund, der erneut zustimmte. So konnte ich den Haltern zusichern, dass ich Arco übernehmen würde, bis ich einen sicheren Platz für ihn finden könnte. Ganz egal wie lange es dauert. Das Angebot wurde dankend angenommen, wenige Tage später kam Arco zu mir.

Für die Familie war es ein herber Schlag, ganz besonders für die todkranke Mutter und eine Tochter, die sich stark an Arco gebunden hatten. Es zerriss ihnen und mir das Herz. Auch Arco stresste der Verlust seiner Familie sehr, am ersten Tag schrie er vor Verzweiflung.

Sein Misstrauen war enorm gross und er schwankte zwischen schmusen, spielen und plötzlichen Panikattacken die ihn vorschiessen liessen. Sein Zimmer (mein Arbeitszimmer) zu bereten, das ich als Rückzugsort für ihn eingerichtet hatte war nur mit ritualisierter Absprache und vielen deeskalierenden Signalen möglich. Es brauchte einige Tage bis er sich mir gegenüber öffnete, allen anderen gegenüber blieb das Misstrauen noch lange Zeit erhalten. Sein Stress-System war zudem sensibilisiert, er zeigte ausgeprägte Geräuschängste, es waren nur kurze Spaziergänge mit ihm möglich. Dies legte sich glücklicherweise nach einigen Monaten mit wenig Trainingsaufwand.

Mir gegenüber stellte er die Attacken zwar rasch ein, Kleinigkeiten lassen ihn jedoch auch heute noch in Panik verfallen und ihn herzzerreissend schreien. Beispielsweise, wenn ich ihn draussen aus der Hand belohnen möchte. Je hochwertiger die Belohnung und je stärker er in dem Moment nach aussen orientiert ist, desto heftiger fällt seine Panik aus. Manchmal reicht aber schon eine schnelle unbedarfte Bewegung mit der Leine. Für mich sind das deutliche Hinweise dafür, dass hier grobe Trainingsfehler begangen wurden die den kleinen Mann heftig traumatisierten.

 

Vertrauensaufbau mit Hindernissen

Im Verlauf des ersten Monats gab es einige Kennenlern-Versuche mit meinem Freund.

Bei der ersten vorsichtigen Kontaktaufnahme mit deeskalierenden Signalen gekoppelt, schoss Darco von hinten hysterisch keifend auf ihn zu und biss ihm einmal in die Schulter, bevor er sich in seinem Zimmerkennel verkroch. Wäre er nicht angeleint gewesen, hätte es wohl das Gesicht erwischt. Grundsätzlich waren jegliche Zusammentreffen in der Wohnung sehr angespannt.

Wir änderten die Strategie, versuchten Kennenlernspiele auf dem Spaziergang einfliessen zu lassen, was sehr gut funktionierte. Schon bald freute sich Arco überschwänglich, wenn er Mirko draussen sah. Doch als er ihn dabei einmal (mit Maulkorb gesichert) fröhlich begrüsste, verdappte er sich, quietschte auf, flüchtete und attackierte anschliessend den vermeintlich bösen Mirko.

Auch das konnten wir auflösen und Stück für Stück entspannte sich die Beziehung zwischen den beiden. In der Wohnung stellte sich heraus, dass das „heimkommen“ von Mirko, starke Anspannung bei Arco auslöst. Diese war jedoch sofort zuverlässig weg, wenn der aufs Klo ging. So entstanden erste entspannte Kontaktaufnahmen eben auf dem sonst so stillen Örtchen :-D.

Mirkos Vertrauen in den kleinen Mann wuchs leider etwas schneller als andersherum. So kam es an einem Abend dazu, dass mein Freund sich zu Arco in sein Ruhezimmer gesellte und ihm anbot, zu sich zu kommen. Arco nahm das Angebot dankend an, kroch erst ihn ihn hinein. Doch wie ich es schon von ihm kannte, wurde es ihm plötzlich zuviel. Es war dunkel, mein Freund konnte ihn nicht sehen. Plötzlich schoss er ins Gesicht und erwischte ihn knapp am Auge mit seinen Eckzähnen. Anschliessend flüchtete er schreiend in sein Bettchen zurück. Glücklicherweise war die Wunde nicht so schlimm, mein Freund kam im wahrsten Sinne des Wortes „mit einem blauen Auge davon“. Doch in den nächsten Monaten waren wir doppelt vorsichtig, das feine Vertrauensfädchen das bis hierhin gesponnen wurde, war erst mal wieder gerissen.

Boron und Rondra haben den Neuling gleich ins Herz geschlossen. Leider beruhte dies nicht auf Gegenseitigkeit.

Die ersten Kontaktaufnahmen draussen waren von Arcos Seite mit viel „Flirt-Strategie“ begleitet. Er blödelte herum, probierte aus, was er mit so Katzen anfangen könnte. Die zwei Büsi beobachteten das überraschend entspannt. Wurde es zuviel kam sanft die Tatze zum Einsatz und Arco nahm sich zurück.

Doch als Boron begann, sich zur Begrüssung freundlich an ihn zu schmiegen und seine Ruheplätze einzunehmen wurde es dem armen Arco etwas zu viel. Er spannte sich zunehmend an, wenn er Boron sah, und schoss schon mal vor, wenn der Anstalten machte zu nah zu kommen. Boron war davon völlig unbeeindruckt, was dazu führte dass Arco seine Versuche ihn auf Distanz zu halten noch weiter intensivierte. Es war lange nicht daran zu denken, Arco frei in der Wohnung herumlaufen zu lassen, immer wieder musste ich meine Strategien und die optimalen Ruheplätze für ihn überdenken um die Situation zuverlässig zu deeskalieren.

 

Am Ende ist Arco in unser Herz gepurzelt.

Eigentlich war ich ganz entspannt damit, Arco bei Zeiten weiter zu vermitteln. Doch mit zunehmender Betreuung wurde mir klar, dass eine Umplatzierung extrem schwierig werden würde. Es fiel ihm dermassen schwer sich neuen Menschen gegenüber zu öffnen und kämpfte immer noch mit sich, um das Vertrauen in unserer kleinen Gemeinschaft zu finden.

Gleichzeitig wuchs das Vertrauen uns gegenüber und er hatte sich die Erlaubnis erarbeitet auch mit aufs Sofa zu kommen. Anfangs mit Maulkorb gesichtert.

Nach dem Spaziergang wurde es zur neuen Routine aufs Sofa zu meinem Freund zu springen und dort fröhlich herumzupurzeln. Regelmässig zauberte er uns damit ein Lächeln ins Gesicht.

Nur die Beziehung zu den Katzen ging noch schleppend voran. Mit naturheilkundlicher Unterstützung durch meine Kollegin Sandra Fust, änderte sich dies auch noch. Arcos Anspannung zu den Katzen löste sich und er wurde immer mutiger im Umgang mit ihnen, ohne ins Aggressionsverhalten zu fallen. Inzwischen können wir alle fünf gemeinsam auf dem Sofa kuscheln, sofern den Büsi seine überschwänglichen Kapriolen nicht zu ungemütlich werden.

Seine Liebe jenen gegenüber, denen Arco sein Vertrauen schenkt, zeigt er in so einer überschwänglichen und absoluten Form, dass es uns schwer ums Herz wurde daran zu denken, dass er uns wieder verlieren würde und die ganze Aktion von neuem beginnen müsste. Gleichzeitig ist er sehr unkompliziert, wenn man ihn zu nehmen weiss, kann überall mit hin und passt sich hervorragend in unsere Lebenssituation ein.

So ist er also in unser Herz gepurzelt und darf darin bleiben.

Die Situation mit meinem Freund und den Büsi ist auch nach einem halben Jahr noch nicht vollständig entspannt. Typischerweise nach einem anstrengenden Tag am Abend aber auch in gewissen Schlüsselsituationen steigt die Anspannung und er ist leichter reizbar. Futterressourcen und seine Ruheplätze sind dem Dunkelschlumpf heilig, je müder er ist, desto leichter kann es hier zu Konflikten kommen. Gegenüber fremden Personen wird er sein Verhalten möglicherweise gänzlich beibehalten, dies bedeutet lebenslanges Management. Wir sind bereit dies zu leisten, denn im Gegenzug schenkt er uns so viel Freude, dass dies ein kleiner Beitrag ist.

Als eine liebe Kollegin mir einmal kurz assistieren wollte, zeigte sich, wie wichtig es ist nicht leichtsinnig zu werden. Der junge Rüde lernt sehr schnell und überwand in Windeseile seine ausgeprägte Angst gegenüber dem ÖV, fand sich auch schnell in Zürich mit mir zurecht. Als ich einmal aufs WC wollte, bot meine Kollegin an, ihn für mich zu halten. Ritualisiert bereitete ich Arco auf diese Situation vor, sicherte ihn vorsichtshalber mit Maulkorb. Kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen hörte ich es keifen und anschliessend herzzerreissend schreien. Arco hatte kurz hinter mir hergewinselt, sich dann umgedreht, der Kollegin in den Oberschenkel gestossen und versuchten anschliessend panisch zu flüchten.

So entschloss ich mich zur Namens-Änderung Darco, auch um mir selber in Erinnerung zu behalten, was in ihm steckt. Als ich anschliessend gefragt wurde, was denn der Name für eine Bedeutung hätte liess ich mich im Internet belehren:

Darco bedeutet „Geschenk des Himmels“.

Nachdem seine Vertraute Alex inzwischen verstorben ist, kann dies wohl wörtlich genommen werden.

Vielen Dank Alex, wir werden Dein Geschenk in Ehren halten.

Darco wird die Zeit bekommen die er braucht um seine frühen Erfahrungen zu verarbeiten. Ich möchte ihm helfen über sich hinaus zu wachsen, sicher zu werden und seine Strategien zu überdenken. Er ist noch jung und hat unglaubliches Potential, ich freue mich, sein Wegbegleiter zu sein. In unserer Gemeinschaft ist er nun ein festes Mitglied, das wir nicht mehr missen wollen.